Essstörungen

Anorexia nervosa und Bulimia nervosa sind multifaktoriell bedingte Krankheiten, die oft einen fehlgeschlagenen Lösungsversuch für Belastungen, Unsicherheiten und das Gefühl mangelnder Einflussmöglichkeiten auf verschiedene Probleme im Jugendalter darstellen. Erscheint die Anorexia nervosa eher als ein Versuch, durch eingeschränktes Essverhalten und Abnehmen Gefühle von Autonomie und Kontrolle zu erreichen, zeigen sich in der Bulimia nervosa meist Tendenzen, durch Essen und Erbrechen eigene Gefühle kanalisieren und beruhigen zu wollen.

Seit 40 Jahren bieten wir an Anorexia nervosa und Bulimia nervosa erkrankten Patientinnen und Patienten und ihren Familien ein therapeutisches Angebot in unserer Abteilung. Von der Anorexia nervosa sind etwa 1,4 bis 1,9 Prozent der Mädchen zwischen 14 und 19 Jahren, von der Bulimia nervosa zwischen 5 und 8 Prozent betroffen, wobei bei der Bulimie eine hohe Dunkelziffer zu verzeichnen ist.

Das Verständnis der individuellen Entstehungsbedingungen der jeweiligen Problematik und eine entsprechend differenzierte multimodale Therapie mit verhaltenstherapeutischen, systemischen und tiefenpsychologischen Interventionen bilden die Grundlagen unseres therapeutischen Angebots im stationären Bereich. Nach Anmeldung in unserer Institutsambulanz vergeben wir möglichst bald einen Ersttermin, in dem geklärt wird, ob ein ambulanter Therapieversuch möglich ist oder ob die Schwere der Erkrankung die Aufnahme auf einer jugendpsychiatrischen Station oder bei vitaler Bedrohung auf einer  pädiatrischen Station notwendig macht.

Unser Behandlungssetting beinhaltet die frühzeitige Information über die Notwendigkeit der Erreichung eines Mindestentlassungsgewichts und der Eingliederung in einen Stufenplan zur motivationalen Unterstützung bei der Gewichtszunahme sowie die intensive Aufklärung und Einführung in die Verhaltensbeobachtung zur besseren Kontrolle von Essanfällen und Erbrechen bei Patientinnen und Patienten mit Bulimie.

Neben der Gewichtszunahme und der Verbesserung der Selbstkontrolle zur Vermeidung von Essanfällen dient die eigentliche psychotherapeutische Arbeit der Veränderung der zu Grunde liegenden Konflikte in der Peergroup, dem Familiensystem oder in anderen wichtigen Bereichen des Lebens der Jugendlichen. Ziel ist die Kontrolle,  Autonomie und Gefühlsregulation auch unabhängig vom restriktiven oder übermäßigen Essen zu ermöglichen. Die Bereitschaft zur Mitarbeit der Eltern oder auch der gesamten Familie bei der Bearbeitung der Problematik in regelmäßigen Familiengesprächen sehen wir daher als notwendig an.

Regelmäßige Einzel-, Gruppen- und Familientherapie, Bezugspflege, Körperwahrnehmungs- und Körperkonfrontationsübungen, spezifische auf die Bedürfnisse der jeweiligen Patienten/innen zugeschnittene soziotherapeutische Gruppen, der Einsatz traumazentrierter Methoden wie EMDR und Screen-Technik ermöglichen schrittweise mehr Handlungs- und Erfahrungsmöglichkeiten.

Im Hier und Jetzt des Alltags auf den Stationen geht es in erster Linie um die verbesserte Wahrnehmung von Gefühlen, um die Verbesserung in Kommunikation und Interaktion sowie eine hilfreiche Veränderung der Sichtweise der eigenen Person. Die begleitende Familientherapie dient der Optimierung der innerfamiliären Kommunikation und der Entwicklung verschiedener neuer Problemlösungsansätze.

Abhängig von zu Grunde liegender Belastung, Schwere der Erkrankung, aber auch Ressourcen der Patienten/innen und ihrer Familien dauert eine stationäre Behandlung bei uns zwischen zwei Monaten und einem halben Jahr, in Ausnahmefällen auch länger.

Ziel ist es, Mut und Selbstvertrauen in die eigene Effektivität zu stärken sowie Ängste und Blockierungen abzubauen und gemeinsam hilfreiche Problemlösungen zu entwickeln.

Für die Anmeldung steht den Eltern und Betroffenen das Sekretariat der Abteilung für Kinder- und Jugendpsychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik unter der Rufnummer 0511/8115-5541 oder-5538 zur Verfügung.